Abenteuer auf dem Reinighof…

Bericht über einen Gasthelfer-Aufenthalt auf dem Reinighof - abgelegen im Pfälzer Wald...

Ganz schön abgelegen! Mitten durch den Pfälzer Wald führt die Fahrt zum Reinighof, bis nahe an die französische Grenze. Der Hof ist umgeben von schönster Natur, und die nächsten Nachbarn sind ein paar Kilometer entfernt.
Hier wohnen 10 Erwachsene und 2 Kinder im Alter von 2,5 und 6 Jahren. Drei tiefenentspannte Hunde und eine Katze sind auch dabei. Ansonsten… Hühner picken im Gras und baden im Sand, Bienen erwachen langsam in ihren Stöcken, die ersten Schmetterlinge zeigen sich, und zwei Laufenten suchen schnatternd nach Schnecken und anderen Leckereien… Es gibt einen großen Gemüsegarten, eine Kräuterspirale und eine Streuobstwiese. Ein paar Bauwägen stehen in der Nähe, und auch für Pferde ist Platz genug.
Manche würden es ein Paradies nennen 😉

Für Kinder ist hier bestimmt ein toller Ort zum Aufwachsen, und auch für Erwachsene wird es nicht langweilig: Es gibt immer was in Haus und Garten zu tun, die Kinder und die Tiere können sich hier nach Herzenslust austoben, und es gibt auch immer wieder mal Veranstaltungen vor Ort.

… Übrigens: Auf dem Reinighof ist Platz für eine Familie mit Kindern! (Stand April 2019) Wer hat Interesse? Oder wer kennt jemanden? Wer interessiert ist, meldet sich hier: reinighof-verein@t-online.de

Strom und Wasser

Der Reinighof ist nicht ans öffentliche Stromnetz angeschlossen. Der Strom wird komplett mit Solarzellen produziert, und der Strom wird in großen Batterien gespeichert. Einen Wasserkocher gibt es nicht, und einen Fön hat hier auch niemand, denn auf solche großen Belastungen ist das hauseigene Netz nicht ausgelegt. Wenn die Sonne sich für mehrere Tage oder Wochen versteckt, muss man eben öfters fegen statt staubsaugen, per Hand waschen oder die Wäsche zum Waschsalon bringen… oder doch mal zur Not den Dieselgenerator anwerfen.

Der Hof ist auch nicht an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen. Das Trinkwasser kommt direkt aus einer nahegelegenen Quelle. Das Wasser wird mit einer alten mechanischen Pumpe, einem sogenannten „Widder“ , einen Hügel hochgepumpt und von dort in die Rohre im Haus verteilt. Diese Pumpe läuft seit 1954 ohne Unterbrechung (und ohne Strom!). Das Trinkwasser ist also von toller Qualität, nur der pH-Wert ist ganz leicht sauer. Den meisten Bewohnern macht das nichts aus; ich merke, dass mein Mund und meine Haut durch das Trinken bzw. Waschen austrocknen… wie man das Wasser „verträgt“, ist individuell verschieden. 

Und das Abwasser? Hier gibt es schon mal ziemlich wenig davon, denn die Toiletten funktionieren ohne Wasser. Es sind Kompost-Trenntoiletten, die speziell konstruiert sind: Urin und Feststoffe kommen getrennt in zwei verschiedene Behälter. Deswegen stinkt hier absolut gar nichts!

Und der Reinighof nimmt an einem Forschungsprojekt der Uni Kaiserslautern teil: Da wird aus Urin natürlicher Phosphatdünger gewonnen (der die Erde nicht auslaugt, im Gegensatz zu künstlichem Phosphatdünger), und aus den Feststoffen (plus Sägespäne ) wird fruchtbarer Kompost. 
Das restliche Abwasser des Reinighofs wird durch eine eigene Pflanzenkläranlage geklärt, die 2017 im Rahmen eines Forschungsprojekts von der Uni Kaiserslautern gebaut wurde. Das Wasser wird anschließend in einen Teich geleitet, wo ein artenreiches Biotop entsteht. Wegen der Pflanzenkläranlage darf man im Haus ausschließlich biologisch abbaubare Spülmittel, Seifen, Waschmittel, Duschgel, Zahnpasta etc. verwenden! Ich checke gleich meine Ausrüstung und freue mich, fast nur Bioprodukte zu finden. Nur eine „unbiologische“ Handcreme wird aussortiert…


Veranstaltungen & Freizeit

Hin und wieder finden hier kleine Konzerte oder Workshops statt – in Zukunft vielleicht auch im größeren Rahmen, sobald der neu angelegte Zeltplatz fertig ist. Eine Bewohnerin bietet einmal pro Woche Yoga an, und einmal pro Woche gibt es „Zirkus“: Wir machen z.B. Acroyoga und einen Massageaustausch!
Während meines zweiwöchigen Aufenthalts findet ein ein Obstbaumschnitt-Workshop statt, ein Konzert mit einer Liedermacherin, und ein Jahreskreisfest: Ostara, die Frühlings-Tagundnachtgleiche. Für das Jahreskreisfest habe ich einen riesigen und leckeren Wildkräutersalat mit Nachtkerzenwurzeln gemacht. Und das Ritual war sehr schön: Lagerfeuer, Trommeln, Gitarre und Gesang…


Teamwork

Einmal pro Woche gibt es das Orgatreffen für alle. Entscheidungen, die nur wenige Leute angehen, oder bei denen nur wenige Leute sich fachlich auskennen, werden optimalerweise vorher in Kleingruppen besprochen und Vorschläge erarbeitet – so wird die Diskussionszeit im Plenum möglichst gering gehalten. Und in der Tat geht die Sitzung relativ schnell und effizient und kommt ohne ausschweifende Reden aus… sehr angenehm. Zumindest als ich dabei bin 😉

Zu Anfang tragen sich alle schnell in eine Liste ein: Wer macht in den nächsten 2 Wochen wann was? Es gibt Dienste für Kochen, Spülen, Toiletten, Strom, Heizung und einige andere. Jeden Werktag kocht eine Person mittags vegan oder vegetarisch für alle, die gerade da sind und mitessen wollen (einige Bewohner essen aber auch Fleisch). Gerade fasten vier Bewohner und wollen deswegen nicht kochen – kein Problem, es gibt ja anderes zu tun.

In der Maibacher Schweiz  zum Beispiel, wo ich im Januar war , sind solche Aufgaben anders organisiert: Da hat jeder einen festgelegten „Kochtag“ pro Woche oder eine andere Aufgabe, die für längere Zeit gleich bleibt. Die Methode vom Reinighof finde ich für mich sehr stimmig! Aber das ist wohl individuelle Geschmackssache…

Jedenfalls scheint das Teamwork hier ziemlich gut zu funktionieren. Ich bin zum Beispiel angenehm überrascht von der Sauberkeit hier. Es gibt klare und effiziente Abläufe, was Kochen und Putzen und Spülen angeht. In den Gemeinschaftsbereichen ist es meistens picobello sauber, nichts steht herum (und wenn, dann nicht lange). Im Vergleich zu den anderen Gemeinschaften, wo ich bisher war, ist das durchaus außergewöhnlich!

Und diese relativ kleine Gemeinschaft schafft zusammen viel: Eigene Strom- und Wasserversorgung, Gemüse- und Obstanbau, Zeltplatz neu anlegen, und hin und wieder Veranstaltungen organisieren… das ist schon einiges! Und früher, als hier noch eine Kommune war, war der „Anpackergeist“ und der Grad der Selbstversorgung noch viel größer…

Wie geht das also? Soweit ich es einschätzen kann, liegt das an der klaren Ausrichtung. Wer im Reinighof einzieht, der wird das kaum tun, um sonstwo einen Vollzeitjob zu haben oder um sein eigenes Ding durchzuziehen – sondern um mit Freude einen guten Teil seiner Lebenszeit für die Erhaltung und Weiterentwicklung des Reinighofs einzusetzen. Und dank der geringen Lebenshaltungskosten geht das hier wunderbar auch ohne Vollzeitjob!

Das Teamwork funktioniert hier also ziemlich gut. Und auf der anderen Seite wünschen sich einige Bewohner mehr soziale und emotionale Verbundenheit. In der Tat fühlt sich die Atmosphäre für mich sehr „anpackermäßig“ an – was durchaus motivierend ist! Und andererseits fällt es mir hier relativ schwer, mich zu entspannen, und ich persönlich würde mir auf die Dauer etwas mehr Ausdruck von Herzlichkeit und Nähe wünschen. Doch das erlebt natürlich jede(r) anders.


Die Geschichte

1977 wurde hier eine Kommune gegründet, eine „Pioniersiedlung“, wie sie sich nannten. Zeitweise wohnten hier 17 Erwachsene und 11 Kinder – ziemlich viel für so wenig Raum – und versorgten sich zu einem großen Teil selbst.

Die frühe Geschichte dieser Pioniersiedlung ist spannend wie ein Krimi: Terroristen und Polizeirazzien kommen vor, Sektenvorwürfe und tobende Nachbarn, ein Haufen unkonventionelle Charaktere und… ganz wichtig: Eine Herde Schafe 😉 

Nach vielen Abenteuern, Wirren und Wendungen gab es dann 2012 eine Neuausrichtung: Die gemeinsame Ökonomie wurde abgeschafft – nun sollte jeder wirtschaftlich für sich selbst verantwortlich sein. Außerdem öffnete sich die Gemeinschaft mehr nach außen, also z.B. für Gasthelfer, und indem hier nun öffentliche Veranstaltungen stattfinden.

Im KommuneBuch  (alte Ausgabe von 1996) gibt es einen Beitrag über den Reinighof – und sonst auch sehr interessante Texte von Menschen, die lange in Kommunen gelebt haben. Es geht um verschiedene Motivationen von Menschen, in Gemeinschaft zu leben, um politisches Engagement und gemeinsame Ökonomie, und um Träume und Visionen, die in Erfüllung gingen oder auch nicht… ich finde das Buch sehr erhellend und lohnenswert!

Es geht auch um den Spagat zwischen Idealismus und praktischer Realität, zwischen individuellen Bedürfnissen und denen der Gruppe, und um die Auseinandersetzung mit ganz menschlichen Ängsten und Zweifeln; eben um Themen, die immer wieder aufkommen, wenn Menschen versuchen, zusammen zu leben und gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen…

 

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